Seit diesem Semester gibt es an der ETH Zürich einen neuen Masterstudiengang: Space Systems. Simon Stähler gibt uns einen Einblick in den abwechslungsreichen Studienalltag, der sich unter anderem um Minisensoren, gescheiterte Mondmissionen, Planeten und Semesterprojekte mit Industriepartnern dreht.
Im Hörsaal HG E41 versammeln sich immer montags und mittwochs die 28 Studierenden des jüngsten Masterstudiengangs der ETH: Space Systems. Dieser Kurs ist nicht nur klein, sondern auch sehr praxisorientiert. Die Studierenden verbringen mehrere Tage pro Woche zusammen – in Vorlesungen, praktischen Übungen und mit einem grossen Semesterprojekt, in dem sie in Kooperation mit Industriepartnern eine Weltraummission entwerfen.
Die Komplexität beherrschen
Systems Engineering wurde 1960 von der NASA als formale Disziplin etabliert, um die Komplexität von Raumfahrtmissionen zu bewältigen. Systems Engineers sind dafür zuständig, dass die einzelnen Subsysteme einer Mission nahtlos zusammenarbeiten, um die Gesamtziele zu erreichen. Diese Funktion ist für jede Raumfahrtmission entscheidend: Sie umfasst das Verständnis der Abhängigkeit sämtlicher Systeme – von der Energieversorgung über Kommunikation bis hin zu wissenschaftlichen Instrumenten und der Abwägung von Design-Entscheidungen.
Spannenderweise ist in der Ingenieurwissenschaft umstritten, ob System Engineering eine eigene akademische Disziplin darstellt, oder eine Praxis ist, die nur durch jahrelange Erfahrung erlernt werden kann. Dieser Studiengang stellt die Fähigkeit in den Mittelpunkt, in einem komplexen System technische Abhängigkeiten zu verstehen, die Interessen von Stakeholdern (z.B. Wissenschaftler*innen oder der Politik) zu berücksichtigen, aber auch mit grossen Datenmengen umzugehen. Fallstudien über erfolgreiche und gescheiterte Raumfahrtmissionen geben Einblicke in die Herausforderungen solcher Projekte. Dazu zählen berühmte Missionen wie Voyager und die Mars-Rover, die technologische sowie logistische Lektionen bieten.
Praxisaustausch
Eine Besonderheit dieses Studiengangs bildet die enge Kooperation mit der Schweizer Wirtschaft. Über regelmässigen Austausch mit der Industrie versuchen wir sicherzustellen, dass das Studienprogramm aktuell bleibt und den Anforderungen der Praxis gerecht wird. Die Studierenden sollen aber auch eigenständige Geschäftsideen entwickeln; die New-Space-Welt bietet viele Möglichkeiten, wie kleine Instrumente auf Satellitenplattformen ins All zu bringen oder kommerzielle Erdbeobachtungsdaten zu einem Produkt zu machen.
Klein und effektiv
Als Planetenforscher habe ich eine Vision, die mich persönlich motiviert: Heute sind Missionen, etwa zum Mars, oft jahrelang in der Planung und jahrzehntelang aktiv. Sie erfordern enorme Ressourcen und viele Mitarbeitende. Der Aufwand ist zwar gerechtfertigt, beschränkt jedoch die Anzahl möglicher Missionen und verzögert die Beantwortung wissenschaftlicher Fragen. Kleinere Missionen könnten helfen, agiler auf neue Erkenntnisse zu reagieren, schneller Daten zu liefern und Ressourcen effizienter einzusetzen. Aber natürlich sind kleinere Missionen technisch anspruchsvoll. Sie müssen präzise und effizient geplant werden, um mit wenigen Ressourcen maximalen wissenschaftlichen Nutzen zu erzielen. Die Miniaturisierung von Sensoren und anderen Technologien oder die Verwendung kommerzieller Komponenten bieten hier neue Möglichkeiten.
Verschiedene Hintergründe
Dieser Studiengang bildet Studierende aus, die solche innovativen Technologien und Konzepte entwickeln, die schneller und vielleicht sogar ohne die grossen Player umgesetzt werden können. Deshalb suchen wir nicht nur Ingenieur*innen, sondern gerade auch Absolvent*innen der wissenschaftlichen Studiengänge, die ihre Kenntnisse mitbringen, sei es über Planeten, über den Klimawandel oder eine andere Fachdisziplin. Mit ihren Fähigkeiten werden sie das Potenzial haben, die Zukunft der Raumfahrt und der Forschung zu gestalten – sei es in der Wissenschaft oder in der Industrie.