von Simon Hauser & Lisa Likhacheva
Meine Freund*innen und ich sind unterwegs zu einem grossen Event – einem von Woodstock Ventures Inc. veranstaltetem Musikfestival, das im Ortsteil White Lake im kleinen Örtchen Bethel, NY stattfinden soll. In einer Zeitungsanzeige heisst es: 3 Tage Frieden & Musik! Das klingt aufregend, weshalb wir ein beträchtliches Interesse haben, dorthin zu gehen. Aus schierer Vorfreude sind wir schon eine Woche früher losgezogen.
Gut besucht
Nach einer langen Autofahrt kommen wir drei Tage vor Festivalbeginn vor Ort an. Was zuvor einmal Wiese und Blütenfeld war, ist jetzt bereits stark überfüllt mit Besuchenden. Auf dem Camping haben sich schon riesige Kolonnen aus Zelten, Autos und VWBussen gebildet, die nur immer länger werden. Verschiedenste Leute – bekleidet, halbnackt, nackt – tummeln sich dazwischen. Und auch auf den Strassen bilden sich nun kilometerlange Staus (bis zu 27 km), da alle fünf Zufahrtsstrecken von Anreisenden verstopft sind.
Wir schauen uns erstmal ein wenig um und entscheiden dann, wo wir uns niederlassen. Nach dem Aufbau unseres Lagers stelle ich meinen Liegestuhl auf, lege mich hin und lasse mich von der energetischen Atmosphäre berauschen. Dabei lausche ich dem Gespräch unserer Nachbar*innen, die sich darüber unterhalten, wer anscheinend auftreten wird: «Am Freitag spielen Grössen wie Sweetwater und Joan Baez», schwärmt einer. «WOW! Aber ich freue mich eher auf den Samstag mit Janis Joplin und Creedence Clearwater Revival.» «Oh please. Das ist nichts im Gegensatz zu Johnny Winter und Joe Cocker am Freitag.»
Eine «wundervolle» Erfahrung
Beschwingt von der vorherrschenden bombastischen Stimmung beschliesse ich, die Umgebung zu erkunden. Als ich an einem Van vorbeigehe, werde ich zum Einsteigen eingeladen; es würde mich eine «wundervolle Erfahrung» erwarten.
Einige Minuten später (oder Stunden? Die Zeit wird warm und weich und schwammig …) denke ich langsam und faul: Und was für eine Erfahrung. Die Leute im Van gaben mir ein bisschen Acid (besser bekannt auch als LSD). Die Gänseblümchenkränze der nackt umherschwirrenden Menschen werden grösser und sprechen mit mir über Frieden und Musik und nochmals über Frieden. Sie sprechen eine glühende, nach Sonnenschein und See klingende Sprache, vielleicht Spanisch wie aus meiner Schulzeit?
Plötzlich gibt es keine Menschen und keine Gänseblümchen mehr. Und es fällt etwas auf meinen Kopf, das deutlich nach Kombucha schmeckt. Jemand flüstert «Regen, Regen, Regen» oder vielleicht raunen es die KombuchaTropfen selbst? Die Wolken wecken jedoch mein Interesse. Sie haben eine neue Religion erfunden und tuscheln darüber. Das Flüstern wird schneller, und ich kann die Wörter überhaupt nicht mehr voneinander trennen. Einige Minuten lang bin ich leicht traurig, dass ich die Details über die WolkenReligion verpasse. Dann wird der Himmel elektrisch blau. Er gibt ein musikalisches «Trrr» von sich und bringt einen Hubschrauber zur Welt.
Die Gänseblümchenkränze sind zurück und schreien jetzt «Joe Cocker!!!». Ich schaue zur Bühne und erkenne den HubschrauberHimmelMann, der dort steht, bereit für seinen Auftritt.
Simon Hauser, 22, studiert BioN im 8. Semester und will seine Liebe zur Musik mit allen teilen.
Lisa Likhacheva, 21, studiert BioN im 8. Semester und begeistert sich (theoretisch) für halluzinogene Substanzen und (praktisch) für experimentelle Literatur.
Der «Exsikkator» ist das Magazin der VCS (der Vereinigung Studierender der Chemie-, Biochemie – Chemische Biologie, Chemie- ingenieurwissenschaften und interdisziplinären Naturwissenschaften). Im Exsi gibt es selbstverständlich einige Einblicke in die Chemie des Lebens (und ins Leben (in) der Chemie), aber u.a. auch Interviews, Berichte über Gesellschaftliches und Relevantes, eine 100% hausgemachte Krimi-Foto-Serie und sogar politische Polemik.