Sportartikel-Manie
«Ich bin immer up-to-date, was die neu- esten Entwicklungen in der Ausrüstung meiner liebsten Outdoorsportarten anbelangt. Dafür kann ich Stunden im Internet verbringen. Wenn ich dann zum Sportwarenladen meines Vertrauens gehe, weiss ich natürlich schon viel besser als das Verkaufspersonal selbst, was das Richtige ist.
Wer sagt, Konsum mache nicht glücklich, der lügt. Jeden Tag fühle ich das Kitzeln, wenn ich die Seiten meiner liebsten Online-Händler durch- stöbere. Und die wichtigsten Tabs sind sowieso immer offen. Ich shoppe gerne, keine Frage. Nur bin ich kein Shopaholic für Klamotten und Schu- he. Meine Sucht ist immerhin gesellschaftlich viel anerkannter. Ich kaufe immer den ganzen crazy shit und gerne auch mal das Beste vom Besten. Ir- gendwelche Billo- oder Low-Level-Produkte brau- che ich nicht. Am liebsten mag ich die Jacken mit dem aufgestickten Dinosaurierskelett und Ruck- säcke, deren Rückenteil mit echter Schweizer Meri- nowolle gepolstert wurde. Meinen Bekanntenkreis berate ich gerne, egal ob die das wollen oder nicht. An so viel Recherchearbeit musst du die Leute teil- haben lassen.»
Pflanzenfreundin
«Mittlerweile dauert das Giessen drei Stun- den – dabei hat alles so harmlos angefangen … Und jetzt lebe ich im Dschungel. Meine selbster- schaffene grüne Hölle. Begonnen hat es mit dem grünen Trend – jeder hatte plötzlich eine Monstera oder Calathea. So eine hat mir auch eine Kollegin geschenkt. Ich besitze über 500 Pflanzenarten, mein Zimmer ist vollgestellt mit Töpfen, der Luft-
befeuchter in der einen Ecke läuft Tag und Nacht – für das Mikroklima, damit meine Lieblinge über- leben. Die, die ein besonders humides Raumklima schätzen, nehme ich morgens mit unter die Du- sche. Meine Mitbewohner*innen sind mittlerwei- le ein bisschen gestresst, weil sie sich ständig an meinem Kaktus stechen. Ob die Machete, die seit Neuestem neben unserer Eingangstür hängt, et- was zu bedeuten hat, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht …»
Online-Dating
«Neue Leute kennenzulernen, finde ich spannend. Ich liebe Abenteuer, erzähle gerne und manchmal erzählt mir auch jemand was Neues oder Interessantes. Dafür liebe ich Tinder, Bumble und Co. Man hört mir zu, man unterhält mich und es wird mir nicht langweilig. Ich kann Leute, die
‹Zeit für sich› brauchen nicht verstehen, das Le- ben bietet einfach so unendlich viele Möglichkei- ten. Natürlich bin ich auf der Suche nach der Lie- be fürs Leben, und deshalb mal ganz ehrlich: Rein statistisch gesehen ist die Chance, jemanden zu treffen, einfach viel höher, je mehr Leute ich treffe. Online-Dating ist definitiv mein Hobby, vielleicht sogar eine geheime Leidenschaft. Jedenfalls ver- bringe ich sehr viel Zeit damit, mit meinen Dates zu schreiben, Treffen zu organisieren und mich bei Bedarf auch wieder geschickt und unkompliziert aus der Affäre zu ziehen. Ob ich das mein Leben lang machen will: keine Ahnung. Aber momentan macht es mir einfach zu viel Spass, da kann ich doch nicht aufhören! Vielleicht wartet hinter dem nächsten Swipe schon die grosse Liebe …»
Veloliebhaber
«Wer sein Rad liebt, der schiebt – na ja, ganz so extrem bin ich nicht, aber meine Velos liebe ich. Jeden Morgen schwinge ich mich auf den Sattel und lasse mir den Wind um die Ohren sausen. Dabei sehe ich die bewundernden Blicke der Passant*innen, die zu Fuss gehen müssen. Natürlich besitze ich nicht nur ein Velo, sondern eines für jede Gelegenheit. Ein Rennvelo, zwei Strassenvelos und ein ‹Usgangsvelo›, damit die anderen nicht geklaut werden. In meinem Zimmer hängen die Guten an der Wand, ich streichle sie immer ger- ne, wenn ich daran vorbeigehe, das beruhigt mich. Meine Klamotten stimme ich auf das jeweilige Rad ab, Ordnung muss schliesslich sein. Und am Wo- chenende gehe ich mit meinen Kumpels Rennvelo fahren oder wir sortieren und polieren unsere Er- satzteile – es gibt einfach keine schönere Beschäf- tigung.»
Pumpen
«Mein Körper ist mein Kapital, deswegen arbeite ich hart an ihm. Ich geniesse es, mir über mein gestähltes Sixpack zu fassen, und noch mehr mag ich es, wenn die Ladies das tun. Dafür nehme ich nur zu gerne die tägliche Qual im Fitnessstu- dio in Kauf. Ohne Sport könnte ich nicht existieren. Und mein Body wäre nicht so, wie er jetzt ist. Na- türlich könnte man hier und da noch etwas wegnehmen und an anderen Stellen noch Muskelmas- se aufbauen. Mein Trizeps ist beispielsweise noch nicht so schön definiert, wie ich das gerne hätte, aber ich arbeite daran. Jeden Tag.»
Leute stalken
«Informationen und Daten sind in unserer Welt ja angeblich die neue Währung. Das trifft sich gut für mich. Ich bin leidenschaftlicher ‹Stalker›. Egal, um wen es geht, ich interessiere mich für al- les und jede*n. In meinem Kopf existieren geheime Dossiers über jede Person in meinem Umfeld – es ist schon verwunderlich, was man nicht alles über Menschen erfährt, wenn man nur ein bisschen zu- hört und dann entsprechend nach Stichwörtern googelt. Ich weiss sicher mehr über gewisse Men- schen als deren Freund*in oder sogar die eigene Mutter. Das Lebenspuzzle einer Person zusam- menzusetzen, eventuelle Lücken zu schliessen, ge- heime Ausrutscher und Eskapaden aufzudecken: Dafür kann ich Stunden vor dem Computer ver- bringen. Wissen ist Macht: Wenn das wirklich so ist, dann bin ich sehr mächtig.»
Verwirrung stiften
«Verwirrung gestiftet habe ich schon im- mer gerne. Schon als Kind. Ich reisse Menschen gerne aus ihrer täglichen Routine, das macht mir Spass. Wenn ich heutzutage irgendwo zu Gast bin, stelle ich bewusst Dinge um, die offensichtlich einen angestammten Platz haben. Zum Beispiel stelle ich den Regenschirm in eine andere Ecke. Oder die Gesichtscrème in ein anderes Fach im Ba- dezimmerschränkchen. Klopapierrollen andersrum aufhängen, ist ein weiterer Klassiker, sowie Schuhe vertauschen. Es bereitet mir einfach diabolischen Spass, das Chaos zu beobachten. Es ist ja nichts Schlimmes, nur ein kleiner Handgriff hier und da. Ob sich meine Eltern damals getrennt haben, weil die Klopapierrolle nicht richtig herum aufgehängt war? Kann schon sein …»
Teelöffel klauen
«Ob es eine kleptomanische Veranlagung ist, weiss ich nicht. Aber definitiv Sammelwut. Wenn ich irgendwo bin, lasse ich gerne etwas mit- gehen, insbesondere Teelöffel. Nicht besonders schlimm, so einen mitzunehmen. Kein grosser Ver- lust für das Café, aber bei mir prickelt es schon auf der Haut bei dem Gedanken, einen einzuste- cken. Meine Kollektion beinhaltet Stücke von über- all: mindestens zwei aus jedem Urlaub, dazu noch diverse von Rendez-vous. Ich rühre gerne meinen morgendlichen Milchkaffee mit dem Löffel, den ich bei meinem Date mit Thomas eingesteckt habe, um. Mit Rodrigo löffle ich meinen Joghurt und Leandra rührt meinen Martini. Jeder Löffel ein Mensch. Vor Kurzem bin ich umgezogen. Meine Sammlung habe ich aber vorher schon in Sicher- heit gebracht – ich will ja nicht, dass die Leute den- ken, ich wäre ein Freak.»
von Julia Kamm