von Nicole Frischknecht
So spannend und aufregend das Studieren an der ETH auch ist, kann der Alltag mit seinen vielen Vorlesungen und Deadlines auch mal stressig, grau und eintönig wirken. Dann passiert es schnell, dass man sich an einen anderen Ort wünscht – entweder an den Strand oder an eine andere Universität. Am besten nach Hogwarts, die Zauberschule in der Welt der Magie, wo man auf Besen fliegen kann und mit Zauberstäben zaubern. Das klingt nach einer Universität, die ich sofort besuchen würde, wenn sie real wäre. Vermutlich bin ich nicht die einzige Person, der es so geht; aber wir haben ja immer noch unsere ETH. Und die hat mehr versteckte Ähnlichkeiten mit Hogwarts, als man auf den ersten Blick sieht.
Das ETH-Hauptgebäude – ein magischer Ort
Das Hauptgebäude der ETH erscheint beim ersten Anblick gewaltig. Das grosse Gebäude hat seinen Ursprung im Jahr 1864. Die Gemäuer sind zwar alt, aber wohl genau deswegen auch so schön, dass sogar Tourist*innen die ETH besuchen, um Fotos zu machen. Wir studieren also in einem Gebäude, das von Reisenden bewundert wird – genauso wie auch Hogwarts fotografiert und bewundert werden würde.
Wenn man nun das Hauptgebäude betritt, befindet man sich in einer grossen Halle. Ein Ort, wo immer wieder unterschiedliche Dinge aufgebaut werden und der sich im Zentrum des Geschehens befindet. Hier könnten perfekt die vier Wappen für Gryffindor, Slytherin, Ravenclaw und Hufflepuff in der Luft schweben – oder 17 für alle Fachvereine.
Auf der Reise zum Vorlesungssaal stösst man auf alte, breite Treppenstufen, verzierte Säulen und Kronleuchter. Die Architektur des Hauptgebäudes erscheint so antik wie jene von Hogwarts. Wenn man neu an der ETH ist, sind diese Treppen und Gänge so verwirrend, dass man fast das Gefühl bekommen könnte, dass sie sich bewegen. Ausserdem stösst man auch nach zwei Jahren Studium immer wieder auf neue Räume, Gänge und Verzierungen im Hauptgebäude, sodass das Entdecken eigentlich kein Ende nimmt.
In den Korridoren trifft man oft auf Statuen von berühmten Mathematikern und Physikern. In Hogwarts sind es zwar Statuen von Zauber*innen, aber in beiden Fällen handelt es sich um unsere Vordenker*innen, die wichtige Erkenntnisse für unser Fachwissen gefunden haben. Und manche dieser Forschenden wurden früher sicher auch als etwas Ähnliches wie Magier*innen betrachtet.
Nach einer langen Suche findet man dann schliesslich auch die Bibliothek – so versteckt wie sie ist, könnte man denken, es wäre bloss die verbotene Abteilung. Doch die Bibliothek muss mindestens so gross sein wie jene in Hogwarts. Man wird für jedes Problem ein Buch mit einer Antwort finden, auch wenn man vielleicht wie Harry, Ron und Hermine lange danach suchen muss.
Während die Studierenden ihre Pausen in den Gängen oder Sälen verbringen, halten sich die meisten Professor*innen im Dozentenfoyer auf; dieses ist ähnlich gut versteckt: Man könnte fast meinen, es befinde sich in einem geheimen Turm, in den man nur gelangt, wenn man den passenden Zauberspruch – oder Schlüssel – hat. Ausserdem besagen alte Legenden, dass es unterirdische Geheimgänge vom Hauptgebäude bis nach Oerlikon gibt – ob diese wahr sind, weiss niemand. Vielleicht existiert ja eine Karte des Rumtreibers von der ETH, die alle versteckten und unbekannten Gänge aufzeigt.
Ein unterirdischen Gang, den wir alle sicher
kennen, führt in die Mensa Diese ist etwa so gross wie die grosse Halle in Hogwarts und funktioniert auf ähnliche Art und Weise. Man kann sich zwar nicht jedes Menü gratis wünschen, aber man hat jeden Tag eine Auswahl von fünf Menüs, die von freundlichen Mitarbeitenden mit Liebe gekocht werden. Wir sehen jedoch bloss, wie das Essen wie aus Zauberhand bereits dort steht, wenn wir reinkommen, und unsere hungrigen Mägen füllt.
In welches Haus würde der Hut dich stecken?
Doch was wäre eine Schule ohne ihre Menschen? Unsere Studierenden sind so vielfältig wie es auch die verschiedenen Häuser in Hogwarts sind. Man muss äusserst clever, wissbegierig und fleissig sein, um ein Physik- oder Mathematik-Studium in Angriff zu nehmen. Informatiker*innen und Maschinenbauer*innen arbeiten sehr lösungsorientiert und können stundenlang über einem Problem brüten. Natürlich sind wir alle sehr schlau, aber gerade diese Studiengänge repräsentieren meiner Meinung nach Ravenclaw am besten. Gryffindors wären die mutigen Architekt*-innen oder Bauingenieur*innen, die sich furchtlos in Baustellen reinwagen und ständig neue Dinge ausprobieren. Erd- und Agrarwissenschaftler*innen, aber auch Biolog*innen wären Hufflepuffs, die sich um unsere Umwelt sorgen und freundlich mit allen umgehen. Anhänger*innen des Haus Slytherin studieren Chemie oder Pharmazeutische Wissenschaften und experimentieren in Laboren mit Professor Snape nach neuen Giftstoffen. Aber auch Gesundheitswissenschaftler*innen, die nur die neue Quidditch-Saison im Kopf haben, würden zu Slytherin gehören.
Es läuft natürlich ein ständiger Wettkampf, welches das beste Haus ist, oder welcher Fachverein der beste ist. Leider gibt es an der ETH kein Punktesystem und auch keine Aus-
zeichnung am Jahresende, aber natürlich weiss jede*r Studierende trotzdem, dass der eigene Fachverein der beste ist.
Magie ist überall
Auch wenn das Studieren an der ETH manchmal anstrengend sein kann, findet man bestimmt Dinge, die Spass machen. Schliesslich lernen wir hier das, was Magie am nächsten kommt; die Naturwissenschaften, die die unglaubliche Faszination unserer Welt erklären. Wir lernen, wie man Maschinen bauen kann, wie man digitale Programme zum Laufen bringt, wie unsere Natur funktioniert, wie man neue Medikamente herstellt. Gewisse Errungenschaften unserer heutigen Gesellschaft würden in den letzten Jahrhunderten sicherlich auch als Magie betitelt werden. Wir können Lampen einschalten mit einem Klick auf unserem Handy? Würde man die Technik dahinter nicht kennen, käme das einem «Lumos» schon sehr nahe.
Also wenn ein Tag wieder einmal voller Stress ist, haltet eure Augen nach Ähnlichkeiten mit Hogwarts offen. Denn nicht nur äusserlich, sondern auch inhaltlich studieren wir wohl an der Universität, die der Zauberschule am nächsten kommt. Und wenn man das Gefühl hat, man studiere Magie, wird es einem schon etwas leichter fallen. Natürlich existiert das alles bloss im Kopf, aber wieso in aller Welt sollte das bedeuten, dass es nicht wirklich ist?
Nicole Frischknecht, 19,
hat lange auf ihren Brief von Hogwarts gewartet und sich schliesslich mit Gesundheitswissenschaften und Technologie zufriedengegeben.